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Informationen über
Chiapas

Indigene Bevölkerung:

Chiapas Bevölkerung
0
7. Platz

der Bundesstaaten mit den meisten Einwohnern

4,4 %

der Gesamtbevölkerung

23 Jahre

Durchschnittsalter

Quelle: INEGI kennt Chiapas, Achte Ausgabe 2018; INEGI Umfrage 2015.

Chiapas hat, wie andere südöstliche mexikanische Bundesstaaten, eine multiethnische und multikulturelle Bevölkerung.

über 3 Jahren eine indigene Sprache
0
29,7 %

der Bevölkerung des Bundesstaates entspricht

Laut einer Umfrage des INEGI von 2015 sprechen in Chiapas 1.361.499 Personen über 3 Jahren eine indigene Sprache, was 27,94% der Bevölkerung des Bundesstaates entspricht. Es ist wichtig, hervorzuheben, dass die Anteile der indigenen Bevölkerung je nach Umfrage variieren können, da unterschiedliche Kriterien angewendet werden. Zum einen werden sichtbare Kriterien wie das Sprechen einer indigenen Sprache oder das Tragen der traditionellen Kleidung festgelegt, zum anderen überwiegt das Kriterium der Selbstidentifikation als Indigene*r.

12 der 62 offiziell anerkannten indigenen Völker Mexikos leben in Chiapas.

Der Teil der Bevölkerung, der eine indigene Sprache spricht, wird hauptsächlich in 5 Gruppen unterteilt:
    • Tseltal 38,2%38%
    • Tsotsil 34,5%34%
    • Ch’ol 15,9%15%
    • Zoque 15,9%3%
    • Tojolabal 4,4%3%

    Die Gruppen Mame, Chuj, Kanjobal, Jacalteco, Lacandón, Kakchikel, Mochó (Motozintleco), Quiché und Ixil repräsentieren den Rest der indigenen Bevölkerung des Staates.

    29,34% der Bevölkerung im Alter von 3 Jahren und älter, die eine indigene Sprache sprechen, sprechen kein Spanisch. Chiapas ist der mexikanische Staat mit den meisten Monolinguisten (einer indigenen Sprache).

    Quelle: INEGI kennt Chiapas, Achte Ausgabe 2018; INEGI Umfrage 2015

    Soziale Ungleichheiten:

    Im Jahr 2015 war Chiapas der am zweitstärksten marginalisierte Staat des Landes, gefolgt von Guerrero und Oaxaca. 34 Gemeinden werden der Kategorie der sehr hohen Marginalisierung zugeordnet und 69 der Kategorie der hohen Marginalisierung. Die betroffenen Gemeinden befinden sich hauptsächlich im Hochland und im Dschungel. Das bedeutet, dass 58,47% der Bevölkerung in hoher und 28,81% in sehr hoher Marginalisierung leben. Nur zwei Bezirke in Chiapas weisen einen niedrigen bzw. sehr niedrigen Grad an Marginalisierung auf, und nur 6% der Bevölkerung von Chiapas ist nicht arm oder sozial gefährdet. Die Gemeinde Sitalá, die in der Zone des Nördlichen Dschungels liegt, nimmt auf staatlicher Ebene den ersten und auf nationaler Ebene den sechsten Platz unter den am stärksten marginalisierten Gemeinden ein.
    Mapa de Pobreza en Chiapas © CEFP
    Mapa de Pobreza en Chiapas © CEFP

    Quellen: Städtische Armutsmessung CONEVAL 2015; CONEVAL 2018; Erklärung der Zonen prioritärer Berücksichtigung 2020; CONAPO 2015

    Einkommen:

    • Etwa 13,3 % der erwerbstätigen Bevölkerung in Chiapas hat kein Einkommen (fast das Doppelte des nationalen Durchschnitts).
    • 34,1% der arbeitenden Bevölkerung verdient nur einen Mindestlohn. Obwohl der Anteil der Bevölkerung dieser Gruppe sich im Vergleich zu 2010 gesunken ist und mehr als doppelt so hoch ist wie der nationale Durchschnitt, ist Chiapas auf nationaler Ebene immer noch der Staat mit dem geringsten Mindestlohn.
    • Im Allgemeinen sind die Durchschnittseinkommen in ländlichen und indigenen Gebieten niedriger. Es wichtig zu erwähnen, dass 49,72 Prozent der Bevölkerung in städtischen Gebieten und 50,28 Prozent in ländlichen Gebieten konzentriert sind; auf nationaler Ebene liegt die Verteilung bei 78 Prozent bzw. 22 Prozent.
    • Gemessen am Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung nach Arbeitssektoren liegt Chiapas auf nationaler Ebene weiterhin an erster Stelle im primären Sektor (36,9%) und an letzter Stelle im sekundären (14,5%) und tertiären Sektor (48,3%). Der größte Teil der indigenen Bevölkerung arbeitet weiterhin in der Landwirtschaft. In Chiapas dominiert das Modell der Subsistenzwirtschaft, das keine Überschüsse zulässt, mit denen ein erhebliches wirtschaftliches Einkommen erzielt werden könnte.
    • Obwohl der derzeitige Mindestlohn auf Bundesebene 123,22 Pesos beträgt, liegt der durchschnittliche Stundenlohn der Beschäftigten in Chiapas bei 21,1 Pesos.
    • Der Anteil der Bevölkerung, der informell beschäftigt ist, beträgt in Chiapas 79,2 Prozent.

    Quellen: Nationale Studie über Beruf und Beschäftigung INEGI 2015, Interzensale Studie INEGI 2015, Staatliches Komitee für Statistik und Geografie von Chiapas

    • Nach Angaben des Staatlichen Komitees für Statistik und Geografie war Chiapas im Jahr 2018 landesweit auf Platz 16, der Bundesstaaten mit den meisten erhaltenen Überweisungen aus dem Ausland. Dem Wirtschaftsministerium zufolge wurden insgesamt 815 Millionen Dollar im Jahr 2019 überwiesen. Innerhalb der letzten 10 Jahre ist die Höhe der Überweisungen nach ganz Mexiko um 60,02% gestiegen bzw. nach Chiapas im gleichen Zeitraum um 64,97%.

    Quellen: „Chiapas, Einkommen aus Familienrücküberweisungen“, Staatliches Komitee für Statistik und Geografie von Chiapas, 2020

    Recht auf Wohnraum:

    Ein Großteil des Wohnraums in Chiapas entspricht nicht den Mindeststandards.
    Ein paar Daten:
    • Chiapas ist der Staat mit dem höchsten Anteil der Bevölkerung, die in rückständigen Häusern leben (78,2%).
    • 57,2% haben Wasser in ihre Häuser geleitet.
    • 97,5% haben Strom.
    • 61,3% der Hausbewohner verfügen über ein Entwässerungssystem, das an das öffentliche Netz angeschlossen ist.
    • 10,62% der Wohnungen haben einen Lehmboden.
    • 15,9% der Haushalte sind in irgendeiner Form überbelegt, fast doppelt so viele wie im Landesdurchschnitt. Chiapas hat nach wie vor die höchste Einwohnerzahl pro Haus, obwohl die durchschnittliche Zahl pro Haus auf 4,02 gesunken ist.

    Quellen: CONEVAL 2018 Armutsmessung; INEGI 2015 Interzensale Erhebung. Diagnose des Rechts auf eine menschenwürdige Wohnung CONEVAL 2018

    Seit einigen Jahren gibt es eine soziale Bewegung im Widerstand gegen die hohen Strompreise im Staat. Sie betrachtet den freien Zugang zu Strom als Menschen- und Verfassungsrecht, da Strom aus den natürlichen Ressourcen des Gebietes stammt, in dem die Mehrheit der Bevölkerung lebt. Im Jahr 2009 schlossen sich viele dem Nationalen Netzwerk des zivilen Widerstands gegen hohe Stromtarife an. Damals weigerten sich 40 Prozent der Stromverbraucher im Bundesstaat, darunter Einzelpersonen und Kommunalbehörden, zu zahlen.

    Bildung:

    In Chiapas können viele Menschen, vor allem Indigene und verstärkt die Frauen, ihr Recht auf Bildung aus verschiedenen Gründen nicht in Anspruch nehmen. Die Armutssituation zwingt die Kinder dazu, arbeiten zu gehen, um das Einkommen der Familie aufzubessern. Zudem gibt es in vielen entlegenen Gemeinden keine angemessene Infrastruktur, um Unterricht zu ermöglichen (durch das Fehlen von Klassenräumen, Büchern, Mobiliar, Grundversorgung, den Mangel an Lehrkräften und aufgrund von überfüllten Klassen und eines fehlenden bilingualen Ansatzes).
    29.2 %

    der Bevölkerung weisen einen Bildungsrückstand auf


    Die Analphabetenrate liegt bei

    13.2 %

    der Bevölkerung


    Bevölkerung im Vergleich zur nationalen Gesamtzahl von 4,3%

    o Die durchschnittliche Dauer der Schulausbildung in Chiapas beträgt

    7.8 años

    (9,2 auf nationaler Ebene)


    im Vergleich zu den anderen Staaten Mexikos die niedrigste durchschnittliche Dauer
    14,6 %

    der Bevölkerung über 15 Jahren haben überhaupt keine Schulbildung

    34,5 %

    der Bevölkerung zwischen 15 und 17 Jahren gehen nicht zur Schule

    Nur 16,4 %

    der Schüler*innen schließen die Sekundarstufe II

    11,7 %

    ein Studium ab

    - als 55 %

    der Schüler in Chiapas haben eine Grundversorgung an ihrer Schule

    - als 70 %

    lernen in Schulgebäuden aus langlebigen Materialien

    - als 70 %

    verfügen über Klassenzimmer mit Bänken und Tafeln

    Quellen: CONEVAL Armutsmessung 2018; Interzensale Erhebung 2015; Diagnose des Rechts auf Bildung CONEVAL 2018

    Gesundheitsversorgung:

    17.6 %

    der Bevölkerung haben noch immer keinen Zugang zu Gesundheitsdiensten


    83.6 %

    keinen Zugang zu Sozialversicherung


    13,3 %

    der Kinder unter einem Jahr pro tausend Lebendgeburten, während der nationale Durchschnitt bei 11,7 liegt, womit die Entität landesweit den fünften Platz bei der Säuglingssterblichkeit einnimmt

    1,5 Ärzte

    auf 1.000 Einwohner
    (letzter Platz auf nationaler Ebene)

    Quelle: INEGI 2017; CONEVAL 2015; Armutsmessung CONEVAL 2018

    Unterernährung und ihre Folgen

    22.3 %

    der Bevölkerung von Chiapas leiden unter mangelndem Zugang zu Nahrungsmitteln


    In den 17 Gemeinden, die die Altos de Chiapas bilden, leiden zwischen

    der Kinder an einem gewissen Grad der Unterernährung
    50 und 0 %

    Die chronische Unterernährung in Chiapas beträgt

    verglichen mit dem nationalen Durchschnitt von 13,6 Prozent
    0 %
    Obwohl landesweit 33% der Kinder und Jugendlichen im Alter von 5 bis 12 Jahren übergewichtig und fettleibig sind, verzeichnet Chiapas 24% der Schüler derselben Altersgruppe für geringe Körpergröße.

    Quelle: CONEVAL 2018 Armutsmessung

    Müttersterblichkeit

    Die geschätzte Müttersterblichkeitsrate liegt bei

    31.1

    Todesfällen


    pro 100.000 Geburten und ist damit die zweithöchste Rate auf Bundesebene
    @ SIPAZ

    Quelle: Gesundheitsministerium von Chiapas 2020

    Die Hauptursachen für den Tod der Mutter in Chiapas sind: Blutungen bei der Geburt, Bluthochdruckerkrankungen, Komplikationen während der Schwangerschaft oder bei der Geburt, indirekte Ursachen, schlecht durchgeführte Abtreibungen, HIV und Komplikationen nach der Entbindung. Viele der Ursachen der Müttersterblichkeit im Staat wären vermeidbar, wenn rechtzeitig eine qualitativ hochwertige Gesundheitsversorgung und eine verbesserte Lebensqualität zur Verfügung stünden.

    Quelle: Nationales Zentrum für Gleichstellung, Geschlecht und Gesundheit.

    Schwangerschaften von Kindern

    Seit 2014 ist Chiapas der Staat mit der höchsten Zahl von Kinderschwangerschaften

    Diese Situation ist nicht nur alarmierend für das Bildungssystem aufgrund von Schulabbrüchen, sondern macht auch den Gesundheitssektor auf das Risiko aufmerksam, dass junge Menschen unter 13 Jahren bei der Geburt oder aufgrund von gesundheitlichen Komplikationen ihr Leben verlieren.

    Quelle: Nationale Erhebung über demographische Dynamik

    HIV/AIDS

    Zwischen 1983 und November 2019 wurden 11.450 AIDS-Fälle gemeldet, von denen 8.500 auf Männer und 2.950 auf Frauen entfallen, wobei die Fälle 5,4% der nationalen Gesamtzahl ausmachen.

    Quelle: Nationales Zentrum für die Prävention und Kontrolle von HIV und AIDS (CENSIDA)

    Autonomes zapatistisches Gesundheitssystem

    Aufgrund langjähriger politischer Diskriminierung hatten die meisten indigenen Gemeinden keinen Zugang zum mexikanischen Gesundheitssystem. Der Mangel an Ressourcen und die Abgelegenheit einiger Gemeinden von den großen städtischen Zentren hat zur Verschlimmerung und Verbreitung leicht heilbarer Krankheiten geführt. Aus diesem Grund haben die Zapatistas ihr eigenes autonomes Gesundheitssystem mit autonomen regionalen Kliniken entwickelt, in denen die Patienten von indigenen Pflegern betreut werden.
    @ SIPAZ

    Land und Boden:

    @ SIPAZ
    25.6%

    der Staatsfläche


    sind entweder Gebiete, die landwirtschaftlich genutzt werden, städtische Gebiete, Gebiete ohne Vegetation und Dämme oder Lagunen; der Rest ist von natürlicher Vegetation bedeckt

    Land und Boden: gegensätzliche Vorstellungen

    Die Vorstellungen von Land und Boden der indigenen Bevölkerung unterscheiden sich von denen der Mestizenbevölkerung. Die indigenen Gemeinden betrachten Land immer als etwas Ganzheitliches (Mutter Erde), Heiliges und Kollektives, das nicht verkauft werden kann. In Mexiko sind vor allem so genannte Ejidos und Tierras comunales als kollektive Formen des Landbesitzes verbreitet:

    EJIDOS

    Jedes Mitglied eines Ejidos bekommt ein Stück Land zugesprochen. Alle Entscheidungen, die das gesamte Land des Ejidos betreffen, können nur in Versammlungen aller Ejidatarios getroffen werden

    TIERRAS COMUNALES

    Das Land gehört allen Angehörigen einer Gemeinde. Folglich werden alle daraus hervorgebrachten Güter unter allen aufgeteilt
    In Chiapas entfallen 59,5% des Bodens auf diese zwei Eigentumsformen

    3.552.030 Hektar

    sind Ejido-Land (verteilt auf 3107 Ejidos). Chiapas ist nach Veracruz der Staat mit den meisten Ejidos

    801.752 Hektar

    Hektar sind Tierras comunales

    Quelle: Nationales Landwirtschaftsregister (RAN) 2014

    Gesetze zur Landfrage: Fragmentierung, Privatisierung und Ursache von Konflikten

    Chiapas ist ein Bundesstaat, in dem die Bodenreform nach der Mexikanischen Revolution nicht wirklich umgesetzt wurde. Lange Zeit verblieb das Land in den Händen einiger weniger Grundbesitzer. Dies wurde zu einer der Hauptursachen für soziale Konflikte, die sich im Laufe der Zeit nur verschlimmerten. Die Suche nach Land führte v.a. ab den 1950er Jahren zu einem komplexen Prozess der Auswanderung in den Lakandonischen Urwald. Dazu kam die Entscheidung der Regierung, in den 1970er Jahren, ein paar wenigen Lakandonen-Familien mehr als 600.000 Hektar des Urwaldes zuzuschreiben, ohne dabei die Bedürfnisse der weiteren, zunehmenden indigenen und kleinbäuerlichen Bevölkerung zu berücksichtigen. Dies ist einer der Gründe, weshalb der Urwald heute einer der konfliktreichsten Orte in dieser Region ist.

    1992 wurde der Artikel 27 der mexikanischen Verfassung geändert, wodurch Tierras comunales und Ejidos frei ge- und verkauft werden konnten (was vorher zum Schutz dieser Formen des Landbesitzes verboten war). Diese Reform führte zu einem explosionsartigen Anstieg sozialer Mobilisierung im ganzen Land. Die Rücknahme der Reform war eine der zentralen Forderungen des bewaffneten Aufstands von 1994. Mit der Reform wurden die Programme PROCEDE (Programm zur Zertifizierung der Ejido-Rechte) und PROCECOM (Programm zur Zertifizierung von Rechten an Tierras comunales) eingeführt.

    Viele Organisationen haben PROCEDE und PROCECOM für die Spaltungen in den Gemeinden und Ejidos verantwortlich gemacht, zumal diese den Verkauf gemeinschaftlichen Landbesitzes und damit dessen Konzentration in privater Hand begünstigen. So bekommen z.B. die Bewohner*innen von Ejidos Kredite, wenn sie sich am PROCEDE beteiligen. Dafür müssen sie jedoch ihre Landtitel als Bürgschaft hinterlassen, die sie verlieren, sofern sie den Kredit nicht abbezahlen können. Zudem müssen sie eine Grundstücksteuer zahlen, sowohl für ihr Ackerland, als auch das Grundstück ihres Hauses. Deshalb betrachten viele das Programm als neoliberales Werkzeug, das sich gegen die Kleinbauern richtet, weil es zur Privatisierung der Ländereien führt.

    Ein weiterer Kritikpunkt war die Art, wie das Programm „vorgeschlagen“ wurde. 1993, als es eingeführt wurde, war die Beteiligung daran freiwillig. Es wurden Beschwerden bekannt, dass die Staatsanwaltschaft für Agrarangelegenheiten versuchte, das PROCEDE mit Druck und Erpressung der Gemeindevorsteher in allen Ejidos und Tierras comunales durchzuführen: Die Gemeindevorsteher sollten ihre Dörfer über das Programm informieren und die Leute von dessen Vorteilen überzeugen. So schien es, als hätten die Bauern selbst in freien Stücken entschieden, das Land zu privatisieren und die entsprechenden Konsequenzen auf sich genommen. Teilweise wurde die Annahme des Programms zur Bedingung dafür gemacht, an weiteren Programmen zur Unterstützung der ländlichen Bevölkerung teilnehmen zu können.

    Im Dezember 2006 erklärte die Regierung das PROCEDE-Programm offiziell für beendet. In Chiapas wurden bis dahin mehr als 2.880 Hektar registriert. Dann nahm im Jahr 2007 der Unterstützungsfonds für unregulierte Agrarzentren (FANAR) seine Tätigkeit auf. Er agiert derzeit unter dem Namen Programm zur Regulierung und Registrierung von Agrarrechtsakten (RRAJA-FANAR), um die mit PROCEDE begonnenen Operationen der Vermessung, Zertifizierung und Titulierung von Landrechten abzuschließen.

    Quellen: YORAIL MAYA 4, Juni 2002; Escaramujo 94 “ Analyse der Ejidos und der Gemeindeländereien – Chiapas im Streit um indigene und bäuerliche Gebiete“, Otros Mundos, Mai 2020

    Agrarkonflikte

    Die meisten der vielen aktuellen Agrarkonflikte in Chiapas sind die Fortsetzung alter Streitigkeiten, Folgen von Messfehlern, die politische Nutzung der Agrarreform sowie die beliebige Verteilung von Zertifikaten und Urkunden an einige der streitenden Akteure. Konflikte um Landgrenzen haben zu bewaffneten Zusammenstößen, Toten, Verletzten und teilweise massiven internen Zwangsumsiedlungen von Teilen der Bevölkerung geführt.

    @ SIPAZ

    “Brennpunkte”

    In den vergangenen Jahrzehnten waren die wichtigsten Brennpunkte:
    • die Gemeinschaft der Lakandonischen Zone und das Biosphärenreservat Montes Azules.
    • 115 Agrarkerne in der Hand der EZLN, die sie als „wiedergewonnenes Land“ betrachtet, mit einer Gesamtfläche von 355.769 Hektar.
    • Mindestens 12 Dörfer mit 34.634 Hektar, mit territorialen Konflikten zwischen kommunalen Bauern in den Gemeinden San Miguel und Santa María Chimalapas, Oaxaca.
    • Grundstücke in der Gemeinde San Miguel Utrilla (oder Santa Martha) im Landkreis Chenalhó, die von den Einwohner*innen von San Pedro Chalchihuitán umstritten sind, ein alter Konflikt, der im Oktober 2017 zur Zwangsumsiedlung von Tausenden von Menschen führte.
    • Der Landkonflikt um 60 Hektar zwischen den Gemeinden Aldama und Chenalhó in den Altos de Chiapas, der seit 1975 eine Bilanz von rund 25 Toten, Dutzenden Vertriebenen und mehreren Verletzten zur Folge hat.

    Die häufigsten Gründe für Landkonflikte

    Landkonflikte treten auf, weil:
    • Landknappheit herrscht, wenn die so genannte „Landgrenze“ erreicht ist. Dies ist Ergebnis des Zusammentreffens verschiedener Faktoren, wie des Wachsens der Bevölkerung, fehlender Fläche für Land- und Viehwirtschaft sowie der Zunahme ungenehmigter Siedlungen in den Dörfern und Kleinstädten.
    • juristische Ambiguitäten und Gesetzeslücken im Bereich der Landrechte und Landtitel seit Jahrzehnten, teilweise Jahrhunderten existieren.
    • Sich Landtitel überschneiden, was Folge von den Agrarbehörden veränderter Dokumente ist.
    • Unstimmigkeiten über die Ausdehnung der Gebiete herrscht, was sogar Landesgrenzen betrifft (wie im Fall Chimalapas mit dem Nachbarbundesstaat Oaxaca).
    • die Behörden unangemessen oder nicht rechtzeitig reagieren, um diese Konflikte zu lösen.
    • es innerhalb oder zwischen indigenen und kleinbäuerlichen Gruppen oder Organisationen Konflikte gibt (nach Angaben der Kommission für die Agrarreform des Landesparlamentes gibt es in Chiapas mehr als 700 solcher Organisationen).

    “Zurückgewonnenes Land”

    Eine gesonderte Erwähnung verdienen die so genannten „zurückgewonnenen Ländereien“ der Zapatist*innen nach dem Aufstand von 1994. Die nach dem Aufstand besetzten Ländereien werden von ihnen als ‚zapatistisches Gebiet‘ betrachtet, das in kollektivem Besitz ist und über das nicht „verhandelt“ werden kann. Um die Kontrolle über dieses Land zu festigen, hat die EZLN eine Besiedlung der besetzten Grundstücke gefördert, die so genannten ’neuen Siedlungen‘.
    @ SIPAZ
    „Während die Bundesregierung Rechtssicherheit bietet, ist die Landumverteilung der Zapatist*innen ein Anreiz, für die Ländereien zu kämpfen und sich den zapatistischen Forderungen anzuschließen. Was ihnen den Besitz sichert, ist kein Dokument, sondern der Zusammenhalt der Organisation. Die Beteiligten haben ein Interesse am Zusammenhalt, denn andernfalls würden sie ihr Stück Land verlieren.“

    Quelle: Richard Stahler-Sholk, Rekonfiguration von Räumen in einer sozialen Bewegung: Die zapatistischen Autonomen Gemeinschaften in der Tseltal-Dschungelzone.

    Seit 1995 und bis heute kam es wiederholt zu Einschüchterungen und Angriffen auf zapatistische Gemeinden angeprangert, welche v.a. von indigenen und kleinbäuerlichen Organisationen begangen wurden, die mit lokalen Machtgruppen oder der Regierung des Bundesstaates in Verbindung stehen. So wird versucht, den Widerstand durch mehr oder weniger heftige Angriffe (wie z.B. die Besetzung „zurückgewonnener Ländereien“, Diebstahl oder Zerstörung von Ernten etc.) zu schwächen, die u.U. in gewaltsamen Auseinandersetzungen enden könnten. Die daran beteiligten Organisationen waren im Laufe der Jahre verschiedene, aber es scheint so, dass die Strategie, indigene Gruppen gegeneinander aufzuhetzen, dieselbe geblieben ist. Unter den am häufigsten erwähnten sind: die OPDDIC (Organisation zu Verteidigung der Rechte der Indigenen und Kleinbauern) und die ORCAO (Regionale Organisation der Kaffeebauern von Ocosingo) in der Region der Cañadas; Desarrollo, Paz y Justicia („Entwicklung, Frieden und Gerechtigkeit„), URCI (Regionale Vereinigung der Indigenen und Kleinbauern) und UCIAF (Vereinigung der indigenen, land- und forstwirtschaftlichen Gemeinden) in der Nördlichen Zone. Bei mehreren dieser Organisationen wurde eine paramilitärische Ausrichtung und/oder die mögliche Existenz von „Stoßtrupps“ in ihren Reihen kritisiert.

    Siehe auch: